In Berlin stärken zahlreiche Initiativen jetzt gemeinsam den Gedanken des Mehrweg. Immer mehr Menschen wird bewusst, wie umweltschädlich Coffee-to-go-Becher und Einwegflaschen sind. Aber es ist oft bequemer und manchmal sogar billiger, die Wegwerfbehältnisse im Café, beim Bäcker oder im Supermarkt zu nehmen. Das soll sich ändern.
Cup der guten Hoffnung
In einer Stadt, die weder schläft noch stillsteht, scheint es auf der Hand zu liegen, dass ein Pappbecher unter dem angesagten Begriff „to go“ die Straßen eroberte. Was vor etwa zehn Jahren aus Übersee zu uns schwappte, ist quasi
im Vorübergehen zu einem handfesten Problem geworden. 170 Millionen Einwegbecher müssen Umwelt und Stadtsauberkeit hier jährlich verdauen. So können wir nicht weitergehen: In Berlin bewegt sich jetzt was. Ganz ohne Wegwerfbecher.
Gemeinsam Mehrweg bechern
Mitte 2015 startete die Deutsche Umwelthilfe mit Förderung der Stiftung Naturschutz und der Trenntstadt Berlin das bundesweite Projekt „Becherheld – Mehrweg to go“. Bestandteil waren Handlungsempfehlungen für Politik, Handel und Verbraucher, breite Aufklärungsmaßnahmen und öffentliche Diskussionen – mit Erfolg: In den letzten zwei Jahren beschäftigten sich viele Initiativen mit dem Thema. Kaffeeläden und auch Tankstellen bieten zum Beispiel für Mehrwegnutzer günstigere Heißgetränke an. Die Klimawerkstatt Spandau zeigt mit dem Projekt „Spandau macht Mehrweg“, wie man im Berliner Bezirk umweltschonend und nachhaltig konsumiert. Und der Berliner Senat hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, ein verbraucherfreundliches Mehrwegsystem einzuführen.
Better World Cup
Es wurde Zeit, die vielen Einzelaktionen, kleinen Initiativen und Engagements überall in der Stadt unter einer Dachmarke zu vereinen: Mit der Ansage „Macht die Welt ein bisschen Becher“ riefen die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, die Berliner Stadtreinigung (BSR) und verschiedene Unternehmen und Institutionen aus Umwelt und Wirtschaft den „Better World Cup“ ins Leben. Eine Online-Map zeigt alle Cafés, Bäckereien oder Tankstellen, die Kaffeebecher auffüllen. Als Anreiz geben sie für jeden Refill bis zu 20 Cent Rabatt, einen Keks oder Ähnliches. Die Bewegung richtet sich an alle Bürger, Touristen und auch Gastronomen. Jeder Refiller kann einfach Kooperationspartner werden und dann Aufkleber, Poster und Aufsteller online bestellen.
www.betterworldcup.berlin
Pfand auf die Hand
Sollte der Kaffeetrinker doch einmal ohne den eigenen Mehrwegbecher aus dem Haus gegangen sein, kann man sich in einigen Cafés und Bäckereien auch einen Pfandbecher ausleihen und ihn an einer anderen Station zurückgeben. Quer durch Deutschland formieren sich verschiedene Initiativen, die Mehrweg-Pfandsysteme testen. Zum Beispiel Recup. In Rosenheim gestartet ist Recup inzwischen in mehreren Städten aktiv – auch in Berlin. Mit dem hehren Ziel, die Coffee-to-go-Revolution deutschlandweit voranzutreiben. Wo es den Weltverbesse-rungsbecher gibt, zeigt eine App.
Gute Frage
HYGIENE-FAKE: Warum nehmen manche Bäcker keine Mehrweg-Becher an?
„Das ist unhygienisch“, sagen Bäckersfrauen oder Cafébesitzer und verweigern dem eigens mitgebrachten Becher den Weg über den Tresen. Jan Schages, Student der Lebensmittelwirtschaft, ging dem Einwand näher auf den Grund. Für seine Masterarbeit untersuchte er dutzende Kaffeemaschinen, sowohl solche in Privathaushalten als auch gewerbliche. Außerdem überprüfte er, wie es um die Hygiene von mitgebrachten Coffee-to-go-Bechern steht. Das Ergebnis: In Mehrwegbechern ist die Keimbelastung vernachlässigbar.
Was ist eine Mehrweg-Allianz?
Die Mehrweg-Allianz ist ein Zusammenschluss von Umweltverbänden, Brauereien und Saftabfüllern. Sie kämpft für eine Vorherrschaft der Mehrwegflaschen im
Supermarktregal. Dafür verteilt die Vereinigung Flyer in der Öffentlichkeit, die über den wahren Umweltnutzen der Mehrwegflasche informieren. Mitglieder der Allianz besuchen außerdem in verdeckten Aktionen Supermarktketten und
melden jede Verpackung, auf der das Mehrweg- oder Einwegzeichen zu klein zu sehen, kaum lesbar ist oder sogar falsche Informationen enthält. Die Allianz erhöht damit den Druck auf Discounter und Supermärkte, eine breite Auswahl an Mehrweg anzubieten. Derzeit geben Supermärkte aus Bequemlichkeit Einweg den Vorzug, da sie die Flaschen einfach schreddern können und nicht zwischenlagern müssen.
Wer füllt mir meine Wasserflasche auf?
Unschlagbar umweltfreundlich sind alle, die nicht nur eine Mehrweg-Trinkflasche besitzen, sondern sie obendrein mit Wasser aus dem Hahn befüllen. Beim Stadtbummel lässt sich die Flasche nur heimlich auf der Café-Toilette auffüllen und passt oft aber gar nicht unter den niedrigen Wasserhahn. Wo es Trinkwasser ohne Heimlichtuerei zum Auffüllen gibt, zeigt die Initiative „Refill Berlin“. Auf einer digitalen Stadtkarte sind nicht nur öffentliche Trinkbrunnen der Berliner Wasserbetriebe verzeichnet, sondern auch Restaurants sowie Cafés, bei denen man kostenlos die Wasserflasche auffüllen kann. Seit September ist Berlin mit 200 Auffüllstationen die größte Refill-Stadt. Wenn ein Lokal mitmachen möchte, trägt es seine Adresse in die Datenbank von „Refill“ ein. Der Aufkleber wird gut sichtbar ins Fenster geklebt. Ideengeber von „Refill“ ist die Hamburgerin Stephanie Wiermann. Zuerst in Hamburg gestartet, ist ihre Initiative mittlerweile zu einer deutschlandweiten Bewegung geworden. Was haben die Lokale davon? „Sie zeigen, dass ihnen die Umwelt am Herzen liegt“, sagt Wiermann. Die 50-Jährige lebt übrigens schon seit Jahren plastikfrei.